Mit oder ohne Vanillesauce?
10 Uhr, das schöne Öpfuchüechli-Schild mit den Hagebuttenranken daran hing, die Fritteusen brutzelten hinter dem Stand, Zimt und Zuckerstation war eingerichtet und die Frauen vom Frauenverein Lotzwil warteten auf die ersten Lotzwiler:innen, um sie mit köstlichen Öpfuchüechli einzudecken.
Zum ersten Mal stand ich mit der dunkelblauen Schürze des Frauenvereins im Einsatz. Lernte, wie man einen feinen Baileys-Kaffee zubereitet und freute mich auf den Tag. Zu lange war es her, seit in den Strassen Lotzwils gefeiert wurde. Endlich konnten wir wieder! Ein Schwatz mit der überüber-Nachbarin, die man seit Monaten nicht mehr gesehen hat. Ein Gruss über die Strasse zu Bekannten, die ännet der Langete wohnen.
Es dauerte nicht lange, bis ein älterer Herr für seine Portion Öpfuchüechli an den Stand trat. Wir sprachen kurz über das Wetter, und ob mit oder ohne Vanillesauce. Der nächste Satz erstaunte mich: «Ach, sogar beim Frauenverein Lotzwil gibt es Fremde.» Ich runzelte die Stirn. Er zog die Schultern hoch, legte den Kopf schief und meinte: «Sie sprechen auf jeden Fall nicht Berndeutsch.» Dem Zwinkern in seinen Augen nach meinte er es wohl als Witz. Da stand ich nun, die «Fremde aus Winterthur», die seit über 10 Jahren in Lotzwil wohnt, und war ziemlich baff.
Mein Blick fiel auf die Zutatenliste, die Nathalie Schiesser, Königin der feinsten Öpfuchüechli, am Stand befestigt hat:
Das Weissmehl aus der Mühle Aeschlimann aus Lotzwil – find ich toll!
Die Boskop-Äpfel aus dem Gmüeschrättli Lotzwil – topp!
Die Freilandeier von Frau Weyermann, Lotzwil – super! Glückliche Hühner!
Die Kuhvollmilch von Familie Leibundgut, frisch vom Hirtenbach-Hügel, Lotzwil! Passt!
Jetzt wird’s spannend:
Der Zimt stammte aus Sri Lanka!
Die Vanille kam den weiten Weg von Madagaskar bis nach Lotzwil.
Die Zitronen waren fast Nachbarn, sie kamen «nur» aus Italien.
Oh là là – Zutaten aus der Ferne. Gehörten die jetzt auch in die Kategorie der «Fremden»? Wenn dem so ist, dann Reihe ich mich gerne ein in die Reihe der exotischen Zutaten – mich dünkt’s, sie machen die Öpfuchüechli und das Dorf – würziger, schmackhafter, vielfältiger.
Folgenden Unterstützern danken wir: Jorns AG, Clientis Bank Oberaaragau, Luder Immobilien, Coiffeur Harmonie, Wick Gartenbau, LeibundGut Mechanik, Thomi AG, Schreinerei Martin Käser, Franz + Beatrice Leibundgut, Mühle Äschlimann, Bäckerei Felber und dem Alterszentrum Lotzwil.
Nach dem Mittag und nach Ende meiner Schicht nahm der Ansturm auf unseren Stand dann so richtig zu. Die Schlange ging einmal quer über die Strasse. Ich liess mir sagen, das gehöre zum Erlebnis dazu – kein Obst- und Mosttag ohne Öpfuchüechli. So freuen wir uns bereits aufs nächste Jahr. Ich freue mich jetzt schon wieder auf alle Begegnungen bei buntem Markttreiben, Dorfgeschnatter und Öpfuchüechli – ganz egal ob mit oder ohne Vanillesauce.
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